Nachhaltige Mobilität – Interview mit Georg Brenner

Wie viel kostet uns das eigene Heilix Blechle eigentlich? Wie viel ist uns saubere oder zumindest sauberere Luft wert? Und wie viel die Zeit, die wir so oft im Stau stehen statt zu fahren?

Alle drei Fragen kann sich nur jeder Einzelne beantworten. Vielleicht fällt die eine oder andere Antwort ja anders aus nach einem Besuch des Tags der Offenen Tür im Rathaus Gerlingen. Auf die erste Frage oben immerhin - wie viel kostet das eigene Auto im Schnitt? - könnte man mit einem Beispiel antworten: Laut Autokosten-Rechner des ADAC verursacht ein VW Golf bei einer jährlichen Fahrleistung von 15.000 Kilometern im Monat Kosten von rund 220 Euro. Das ist aber nicht alles: Wer den Wertverlust dazurechnet – und die meisten haben sich das Auto ja wohl gekauft und wollen es eventuell mal wieder verkaufen – der kommt auf 500 Euro monatliche Kosten. 6000 Euro im Jahr für einen Kleinwagen. Manch einer mag da mit der Schulter zucken. Peanuts. Andere könnten anfangen zu rechnen. Ein Auto für zwei Einkaufsfahrten in der Woche und einen größeren Ausflug pro Monat? Putzen muss man es auch noch. Muss das sein? Die Antwort von Bürgermeister Georg Brenner, lautet natürlich „Nein, das muss überhaupt nicht sein, auch nicht in einer Stadt wie Gerlingen.“ Mein Gerlingen – Stadtmarketing e.V. hat sich mit Georg Brenner über den Verkehr unterhalten und die Möglichkeiten in Gerlingen mobil zu sein.


MG: Herr Brenner, Gerlingen ist nicht Stuttgart. Mit ein paar Runden um den Stadtkern findet man fast staufrei und fast immer einen Parkplatz, für den man oft nicht mal bezahlen muss. Hat Gerlingen überhaupt ein Verkehrsproblem?

Brenner: Wer zu bestimmten Zeiten durch Gerlingen fährt, steht durchaus im Stau. Die Bürger, vor allem die Anwohner, beklagen das auch seit Langem genauso wie Lärm und schmutzige Luft. Aber unsere Wirtschaft boomt und weil es sehr schwierig ist, in der Region Stuttgart eine passende, bezahlbare Wohnung zu finden, gibt es einfach die Pendlerströme, die in der ganzen Region die Straßen verstopfen. Da ist Gerlingen keine echte Insel der Seligen.

MG: Kann es sein, dass viele Gerlinger gar nicht wissen, was für unterschiedliche Möglichkeiten an nachhaltiger Mobilität Gerlingen ihnen bietet?

Brenner: Das ist gut möglich, aber vielleicht ändert sich das ja nach dem Rathausfest, wo wir über die unterschiedlichen Angebote informieren wollen.

MG: Die Stadtbahn ist ja nun schon 20 Jahre alt und hat damals die gemütlichen Straßenbahnen ersetzt.

Brenner: Ja, der 31. Mai, jener Tag, an dem die Stadtbahn, damals mit Bürgermeister Albrecht Sellner am Steuer, in Gerlingen an der Endhaltestelle eingefahren ist, war ein extrem wichtiger Tag für uns. Ohne öffentliche Zuschüsse hätten wir das übrigens gar nicht geschafft. So aber ist die Stadtbahn ein riesiger Standortvorteil für Gerlingen und das wichtigste Teil im Puzzle der Mobilität.

MG: Gerlingen hat aber auch noch die Gerlinger Höhe…

Brenner: Ja, und die meisten dort haben natürlich ein Auto. Sie können aber genauso gut mit dem 92-Bus nach Stuttgart oder nach Leonberg fahren. Oder sie nutzen den Stadtbus. Die 98 fährt ja vom Leonberger Golfplatz über die Waldsiedlung, den Waldfriedhof und das Gerlinger Rathaus bis zum Ditzinger Bahnhof. Unsere zweite Stadtbuslinie, die 635, fährt dagegen vom Gehenbühl über das Gerlinger Rathaus und die Ringstraße über die Halbhöhe bis zum Leonberger Bahnhof.

MG: Recht neu ist noch die Verbindung zum Flughafen, der kilometermäßig betrachtet ja nicht weit weg ist.

Brenner: Die meisten S-Bahn-Linien sind ja auf Stuttgart als Zentrum der Region ausgerichtet. Der neue Expressbus, der sogenannte „Relex-Bus“, verkehrt dagegen tangential zwischen größeren Städten und wichtigen Zielen in der Region Stuttgart. Für uns ist der Flughafen jetzt tatsächlich viel nähergerückt. Unsere Linie, die X60 fährt vom Leonberger Bahnhof über die Schillerhöhe und Bosch über die Vaihinger Universität zum Flughafen. Und zwar in der Hauptverkehrszeit alle halbe Stunde. Der Bus wird im Übrigen auch stark von Studenten genutzt, die in Vaihingen studieren. Denen dürfte besonders gefallen, dass es in den Bussen kostenloses WLAN und USB-Steckdosen gibt. Wer will da noch selber fahren?

MG: Aber damit sind die Möglichkeiten in Gerlingen herumzukommen noch nicht am Ende.

Brenner: Genau. Zu diesen Angeboten kommen vorerst zwei weitere. Zum einen gibt es das ehrenamtlich organisierte carsharing. Das wird vom Verein stadtmobil e.V. organisiert. Bei uns in Gerlingen sind Monika B. Feil und Dr. Karsten Seidl die ehrenamtlichen Ansprechpersonen des Vereins. Die Gerlinger können aus mehr als 500 Stadtmobil-Fahrzeugen in der Region Stuttgart eines auswählen und buchen. Am einfachsten ist es natürlich, man bucht eins der beiden Stadtmobile, die in Gerlingen stehen: ein Opel Corsa steht in der Tiefgarage der Schillerstraße bereit, ein Opel Astra Kombi vor dem Gebäude Schillerstraße 14. Die Autos müssen bei diesem Konzept nach dem Fahren wieder auf ihrem Stellplatz abgestellt werden.

MG: Wie kann man sich am besten über das Angebot des stadtmobil e.V. informieren?

Brenner: Wer wissen will, wie dieses „Lebensabschnittsgefährt“ zu haben ist, kann sich auf www.stadtmobil-stuttgart.de informieren. Etwa 40 Stadtmobil-Nutzer gibt es derzeit in Gerlingen und ich weiß von Frau Feil, dass viele Neu-Nutzer überrascht sind, dass das alles gar nicht so teuer ist. Im Übrigen kann man die Stadtmobilwagen bis zu einem halben Jahr im Voraus buchen und als Stadtmobil-Nutzer kann ich die carsharing-Autos des Vereins in anderen Städten genauso buchen.

MG: Neben diesem ehrenamtlich agierenden Anbieter gibt es aber auch noch ein privatwirtschaftliches Angebot von car2go. Was ist der Unterschied?

Brenner: Wir haben, was car2go angeht, das Glück seit 2013 zum Geschäftsgebiet Stuttgart zu gehören, gemeinsam mit Sindelfingen, Böblingen und Esslingen. Auf einer Karte des Flyers ist das ganze Gebiet zu sehen. In diesem Gebiet stehen mehr als 500 rein elektrisch betriebene Autos für rund 90.000 Kunden bereit. Es gibt insgesamt 350 Ladesäulen, die von der EnBW betrieben werden. Das Besondere an car2go ist, dass es ein sogenanntes „free-floating-system“ ist. Das heißt, ich schaue mit meiner car2go-App auf dem smartphone, wo das nächste Fahrzeug steht, miete es und stelle es irgendwo im Geschäftsgebiet wieder ab. So könnte ich nach Stuttgart mit car2go fahren, das Auto auf einem öffentlich bewirtschafteten Parkplatz ohne Ticket abstellen - und sogar im Anwohnerparken - dann etwas trinken gehen und schließlich mit Stadtbahn, Bus oder Taxi nach Hause fahren. Alles Wissenswerte zur Reservierung, aber auch zu den Parkregeln findet man auf www.car2go.com.

MG: Und wenn in Gerlingen gerade mal kein Auto steht?

Brenner: Dann gibt es ja noch die vielen anderen Möglichkeiten, über die wir gerade gesprochen haben. Car2go wie auch das Stadtmobil sind als Ergänzung zum öffentlichen Nahverkehr oder eben zum Privatwagen gedacht.

MG: Was wird in Gerlingen noch angedacht, bevor vielleicht das Beamen Wirklichkeit wird?

Brenner: Im kommenden Jahr wollen wir ein Fahrradverleihsystem haben, bei dem wir uns an Stuttgart dranhängen. Wir haben uns da schon 2016 verpflichtet mitzumachen. Es wird drei Stationen geben, an der Endhaltestelle und im Gehenbühl wird es normale Leihfahrräder und Pedelecs geben, auf der Höhe im Bereich der früheren Post werden nur Pedelecs zu haben sein. Der Trend geht zum Rad, gerade auch bei den älteren Bürgern. Und so ein Pedelec erweitert den Radius natürlich ungemein, gerade wenn man von oben nach unten und, vor allem, wieder zurück will. Und irgendwann in nicht allzu ferner Zeit dürfte es auch bei uns eine polygoCard geben. Mit der kann ein VVS-Abo-Kunde nicht nur Bahn und Bus fahren, sondern auch Carsharing-Fahrzeuge buchen und Fahrräder mitnehmen.

Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch!